August 2022. Die Sonne kitzelt meine Nase, während ich in der Hängematte sanft von links nach rechts schaukel. Meine Augen sind geschlossen und durch meinen Kopf flackern bunte Bilder von letzter Nacht. Nebenan auf der Terrasse wird noch gegessen, der Duft von Kaffee vereint sich mit der warmen Sommerluft. Ein paar Wortfetzen erreichen meine Ohren, es überlagern sich Töne in Deutsch, Arabisch, Tschechisch, Englisch, Farsi, Hindi, Kurdisch. Zusammen mit dem Vogelgezwitscher klingt es fast schon harmonisch. Plötzlich tropft kaltes Wasser auf mich herab. Die Quelle ist schnell ausgemacht: Ein paar Freunde sind vom Waldbaden im Fluss zurück.
Ich würde diesen Augenblick im Garten gern festhalten, wie mit einer Polaroidkamera. Während sich ein Bild der Szenerie in mein Gedächtnis einbrennt, gehe ich in Gedanken der Frage nach, womit das alles eigentlich angefangen hat. Vielleicht war es im Sommer 2016, als dutzende Freunde nach einem Wohlfühl-Wochenende im Mosaik-Haus den Weg zurück in die Stadt antreten mussten. Seit diesem Zeitpunkt teilten wir alle das Verlangen danach, an diesen Ort der Ruhe und Erholung, der gleichzeitig auch so viel Kreativität in uns freigesetzt hatte, zurückzukehren. Wie von selbst, ohne darüber nachdenken zu müssen, kamen wir Jahr für Jahr wieder. Natürlich rührte die Magie auch aus den Verbindungen, die durch die gemeinsam verbrachte Zeit zwischen den Menschen entstanden und tolle Ideen zutage förderten. Der Kreis der Glücklichen, die in den Genuss dieses Ortes gekommen sind, wuchs nun stetig. Um dem Mosaik ein weiteres Steinchen hinzuzufügen und die Anfänge des Hauses besser zu verstehen, müssen wir allerdings noch etwas weiter in der Geschichte zurückgehen …
In den 70er Jahren vom Familienvater geplant und in gemeinsamer Anstrengung gebaut, hatte das Schicksal andere Pläne für die damals noch darin wohnende Familie. Viel zu früh, kurz vor dem Mauerfall, starb der Vater. Zur Jahrtausendwende waren alle vier Kinder bereits ausgezogen. Von jetzt an wohnte nur noch die mittlerweile Oma gewordene Witwe auf dem Grundstück, allerdings im kleineren der beiden Häuser, welches ursprünglich als Baustellenunterkunft gedacht war. Mehr als 15 Jahre sollte es dauern bis wir, die 3. Generation in der Geschichte des Hauses, den Zauber dieses Ortes, umgeben von Wäldern, Sandstein und Gewässer, wiederentdeckten. Weit über die Grenzen des dörflichen Lebens hinaus sind wir zunächst durch die Welt gewandert, haben unsere Horizonte erweitert und uns Flügel wachsen lassen. Jetzt ist die Zeit gekommen, um neue Wurzeln zu schlagen. Die Veränderungen, die wir persönlich in den letzten Jahren durchlaufen haben, werden auch vor dem Mosaik-Haus nicht Halt machen.
So kam es, dass wir die Frage aller Fragen, wie ein so schönes Haus denn eigentlich seit so langer Zeit leer stehen könne, zum Anlass genommen haben, unsere Zukunft neu zu denken. Das Glücksgefühl, welches uns jedes Mal vor Ort erfüllt, ist der Antrieb dafür, um den Traum vom Mosaik-Haus Wirklichkeit werden zu lassen. Dieses Fleckchen Erde ist so bunt und vielseitig wie die Menschen, die es seit jeher mit Leben übergießen. Durch gemeinschaftliches Wohnen und viel Freiraum für Engagement und Aktivismus möchten wir unseren Teil zum Mosaik einer gerechten Welt beitragen.
In ewiger Dankbarkeit und in Gedenken an Oma.